Urheberrecht und der Filter mal wieder…….

Das Europäische Parlament hat die Richtlinie über das Urheberrecht und die verwandten Schutzrechte im digitalen Binnenmarkt und zur Änderung der Richtlinien 96/9/EG und 2001/29/EG letztendlich im letzten Jahr verabschiedet und die selbst ernannte Netzgemeinde leckt nun zwar nicht ihre Wunden, aber muss nun mit dem inzwischen in Artikel 17 umbenannten Artikel 13 leben. Nun geht es um die Umsetzung des Richtlinientextes in nationales Recht. Die Parteien haben im Wahlkampf-Modus natürlich fast alle den Wählern große Versprechungen gemacht, um das Buzzword „Uploadfilter“ als „nicht auf ihrem Mist gewachsen“ oder „in der Umsetzung noch zu verhindern“ darzustellen. Doch die Stunde der Wahrheit rückt näher. Eine Umsetzung ist nun Pflicht und man fragt sich, wie man den artikel 17 nun ohne dieses Angstgespenst des Internet umsetzen kann, ohne sich Ärger mit der EU einzufangen.

Die Rechtsberater der Netz-Auskenner haben natürlich ihren Kritikpunkt „verstößt gegen EU-Recht“ ausgegraben und legen nun los, um mit einem alten Urteil des EuGH hier einen EU-Grundrechtsverstoß aufzuzeigen, der aber doch einer genaueren Prüfung bedarf.

Das Urteil SABAM./.Netlog, des EuGH untersagte zwar nicht unmittelbar eine Filterung (eine solche findet ja bei YouTube bereits statt), sondern legt fest, dass es einem Host Provider „bei einer Gesamtbetrachtung und einer Auslegung im Hinblick auf die sich aus dem Schutz der anwendbaren Grundrechte ergebenden Anforderungen“[1] nicht aufgegeben werden darf, ein System zur Erkennung und Filterung urheberrechtlich geschützter Medieninhalte einzurichten, weil dies seine Grundrechte als Unternehmer einschränken würde. In die Betrachtung bezog der EuGH in diesem Falle auch mit ein, dass sich die Wirkungen dieser Anordnung nicht auf den Hosting-Anbieter beschränken würden, weil das streitige Filtersystem auch Grundrechte der Nutzer der Dienste dieses Anbieters auf den Schutz personenbezogener Daten und auf freien Empfang oder freie Sendung von Informationen beeinträchtigen könne.

Die Einschätzung, dass Artikel 17 der DSM-Richtlinie dies ausreichend berücksichtigt habe ich ja schon im Vorfeld des Erlasses dieser Richtlinie geäußert. Dennoch wird von Prof. Dr.Gerald Spindler in einem für die Grünen erstellten Gutachten vom 14.12.2019 hierauf abgestellt[2]. Er kommt in seinem Summary zum Ergebnis, die Pflicht einen Filter zu errichten stehe in Widerspruch zum vom EuGH grundrechtlich abgeleiteten Verbot der allgemeinen Überwachungspflichten (EuGH SABAM/Netlog) und ist daher europarechtswidrig wegen Verstoßes gegen Grundrechte der Diensteanbieter wie auch der Nutzer und Nutzerinnen. Auch eine europarechtskonforme Auslegung kann diesen Widerspruch nicht beseitigen, da sie nicht im Einklang mit Wortlaut und Systematik von Art. 17 DSM-RL stünde.

Dazu fällt mir gerade etwas ein:

1.

Der EuGH hat Netlog in der zitierten Entscheidung als „Host Provider“ angesehen. Die Richtlinie adressiert aber mit Art. 17 ausschließlich die in Art. 2 Abs. 6 definierten „Diensteanbieter für das Teilen von Online-Inhalten“.

Da stellt sich mir die Frage: Wie sieht es denn mit deren Grundrechtsschutz aus? Das Urteil des EuGH erwähnt nämlich ausdrücklich, diese müssten in der Abwägung mit den Grundrechten der Rechteinhaber auf Schutz ihres Rechts am geistigen Eigentum aus Art. 17 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union abgewogen werden.

Nun ist es aber so, dass ein Host-Provider eben nicht sieht, (und schon garnicht in einer Datenbank indexiert und für persönlich maßgeschneiderte Werbeeinblendungen analysiert, oder gar für leichten Zugriff und treffgenaue Vorschläge an die Betrachter kuratiert) was die Nutzer bei ihm speichern. Dies ist aber was den Diensteanbieter für das Teilen von Online-Inhalten von ihm unterscheidet.
Letzterer greift also vorsätzlich – mindestens mit dolus eventualis – in die Grundrechte der Rechteinhaber ein, um sein Geschäft zu machen. Also dürfte hier ohne Zweifel die Waagschale zu Lasten dieser Diensteanbieter kippen.

2.

Es wird auch immer darauf angestellt, dass das Prüfen der Inhalte zum Zwecke des Abgleichs mit den von den Rechteinhabern anzuliefernden Erkennungsdaten zu Zwecken der Sperrung ein allgemeines Monitoring darstelle. Nach oben genanntem kommt es hierauf zwar schon nicht an – jedoch ist hier noch zu erwähnen, dass dies in der Abwägung der Grundrechte der Unternehmer und der Nutzer in der zitierten Entscheidung unter zwei abweichenden Perspektiven betrachtet wurde:

Zum einen ging es um den Aufwand und insbesondere die Kostenbelastung der Unternehmer mit dem Monitoring-System, der nur dann unzumutbar sein dürfte, wenn ein Schutz gegen vom Unternehmer nicht vorhersehbaren Missbrauch durch die Nutzer (die ja dafür auch primär haften) damit präventiv hergestellt werden sollte. Im Falle des Diensteanbieters für das Teilen von Online-Inhalten dürfte aber die Unzumutbarkeit fallen. Er wusste womit er (und sogar seine unredlichen Uploader) sein Geld verdient.

Zum anderen ist der Grundrechtsschutz der Uploader (nicht aller Nutzer, denn viele betrachten die Medien ja nur passiv) hier schwach, denn schließlich geht es nicht um private Inhalte. Die Inhalte werden ja gerade zu dem Zweck hochgeladen, sie einer breiten Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Intime Briefgeheimnisse sind hier nicht zu erwarten.

Folglich dürfte auch der Grundrechtsschutz der Nutzer hier den Ausschlag nicht geben.

Dass der EuGH hier also möglicherweise einen Verstoß gegen seine bisherige Rechtsprechung erkennen würde, ist aus meiner Sicht daher eher abwegig.

Dazu kommt: Wie in der Diskussion mit den Politikern der Grünen am Donnerstag den 06.02.2020 noch einmal von Matthias Hornschuh deutlich gemacht werden konnte[3] der Umstand, dass die Plattformen, die Inhalte Lizenzieren sollen, um die Haftung der User zu erleichtern, die selbst die von ihnen verwendeten Inhalte vor dem Upload nicht lizenzieren können oder wollen (oder einfach nicht dran denken), natürlich auch eine Zuordnung der Nutzungen zu den Einnahmen herstellen müssen – dazu müssen sie die Inhalte selbstverständlich auch so wie so „kennen“ – sprich: Identifizieren können. Und zwar alle. Und für andere Zwecke, wie zum Beispiel die Vermeidung des Uploads illegaler Inhalte (Kinderpornographie etc.) muss dasselbe gelten.

Ein ungeprüfter Upload kann also gar nicht mehr Gegenstand einer ernst zu nehmenden Forderung sein.

Das sollten sich die Politiker aller Parteien hinter die Ohren schreiben, die wieder einmal meinen, die Künstler Europas könnten wegen irgendwelcher Befindlichkeiten weiter um ihre Erwerbschancen betrogen werden.

[1] Urteil SABAM./.Netlog, EuGH v. 16.02.2012 C-360/10

[2] Gutachten Prof. Dr.Gerald Spindler v. 14.12.2019, S. 24 ff.

[3] https://youtu.be/Wdn4_KfmIJ4?t=13505

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